BERICHT über die Umsetzung der Dublin-III-Verordnung | A9-0245/2020 | Europäisches Parlament (2025)

BEGRÜNDUNG – ZUSAMMENFASSUNG DER FAKTEN UND ERKENNTNISSE

Einleitung

Die Flüchtlingskrise der Jahre 2015–2016 hat sich zu einer Krise des Asylsystems entwickelt, die neben der Ineffizienz der Dublin-III-Verordnung, eine derartige Situation zu bewältigen, auch ihre strukturellen Mängel und die zahlreichen Defizite bei der Umsetzung offenbart hat.

Die Kommission hat eingeräumt, dass das Dublin-System aufgrund der „Konzeption oder mangelhaften Implementierung [der Verordnung] bestimmten Mitgliedstaaten unverhältnismäßig viel Verantwortung aufbürdet und den unkontrollierten Zustrom irregulärer Migranten befördert[1]. Aus diesem Grund hat sie 2016 einen neuen Vorschlag vorgelegt, um diesem Problem abzuhelfen. Obgleich das Europäische Parlament im November2017 ein Verhandlungsmandat gebilligt hat, hat der Rat seine allgemeinen Leitlinien jedoch noch immer nicht angenommen.

Um die Blockade zu überwinden, hat die Kommission einen „Europäischen Pakt zu Einwanderung und Asyl“ angekündigt, der unter anderem einen neuen Vorschlag für die Überarbeitung der Dublin-III-Verordnung enthält.

Eine ambitionierte Reform setzt eine genaue Kenntnis der Stärken und Schwächen der geltenden Rechtsvorschrift voraus. Die Kommission hat im Dezember2015 und im März2016 zwar zwei Bewertungen der Verordnung (Artikel46) veröffentlicht, ihre regelmäßige Bewertung, die im Juli2018 fällig gewesen wäre, jedoch immer noch nicht vorgelegt.

Vor diesem Hintergrund und in Anbetracht des Scheiterns der Dublin-III-Verordnung hat das Europäische Parlament beschlossen, eine aktualisierte Analyse der Verordnung auszuarbeiten, da es im Hinblick auf die von ihm angenommenen Rechtsvorschriften der europäischen Öffentlichkeit gegenüber verantwortlich ist.

Methodik

Die Bewertung stützt sich auf eine Reihe zusätzlicher Quellen: eine öffentliche Anhörung im LIBE-Ausschuss am 19.Februar 2020, Besuche vor Ort, Befragungen von Interessengruppen, zwei Fragebögen, die an alle ständigen Vertretungen und nationalen Parlamente der Mitgliedstaaten, die die Verordnung anwenden, geschickt wurden, eine Studie des Wissenschaftlichen Dienstes des Europäischen Parlaments (EPRS)[2] und regelmäßige Koordinierungssitzungen zwischen der Berichterstatterin und den Schattenberichterstattern.

1.TEILI: Rückmeldungen nach der Krise, Gewinn von Erkenntnissen für die Reform der Dublin-III-Verordnung

1.1.Entstehung der Dublin-Verordnung: schrittweise Harmonisierung

Die Schaffung eines Raums des freien Verkehrs auf EU-Ebene ging mit dem Beginn einer europäischen Zusammenarbeit im Asylbereich einher. 1990 traten sowohl das Übereinkommen von Schengen als auch das Dubliner Übereinkommen in Kraft.

Von Anfang an bestand das oberste Ziel des Dublin-Systems darin, den Mitgliedstaat zu ermitteln, der für einen Asylantrag in der EU zuständig ist, und somit Mehrfachanträge zu vermeiden. Ausgehend von den Leitlinien, die auf dem Europäischen Gipfel in Tampere 1999 beschlossen wurden, wurde ein Gemeinsames Europäisches Asylsystem (GEAS) eingerichtet, um eine stärkere Harmonisierung zu verwirklichen.

2003 wurde das Dubliner Übereinkommen als Dublin-II-Verordnung im europäischen Recht verankert.

2007 wurde mit dem Vertrag von Lissabon der Grundsatz der Solidarität in der Asylpolitik verankert (Artikel80 AEUV) und die Anwendung des ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens vorgesehen. Der Rat fasst seine Beschlüsse jedoch weiterhin nach dem Einstimmigkeitsprinzip, was die derzeitige Blockade zum Teil erklärt.

2008 leitete die Kommission mit der „Künftigen Asylstrategie“[3], die eine Überarbeitung der Dublin-III-Verordnung beinhaltete, die zweite Phase des GEAS ein.

1.2.Beispiellose Herausforderung für das GEAS

Seit einigen Jahren steht die EU im Bereich Migration vor der größten Herausforderung seit dem Zweiten Weltkrieg. In drei Jahren hat sich die Zahl der Asylbewerber mehr als vervierfacht. In den Jahren 2015 und 2016 haben 2,5Millionen Menschen einen Asylantrag in der EU gestellt, während es 2014 562000 und 2012 278000 waren[4]. Zu den wichtigsten Herkunftsländern zählen weiterhin Syrien, Afghanistan und der Irak – Länder, die von Bürgerkrieg, Gewalt und Konflikten heimgesucht werden[5]. Laut der Internationalen Organisation für Migration sind seit 2014 33000 Menschen bei dem Versuch, nach Europa zu gelangen, ums Leben gekommen.

Anfang 2020 waren noch 855000 Asylanträge anhängig, deutlich weniger als noch vor fünf Jahren[6]. Der Europäische Rechnungshof (EuRH) weist jedoch darauf hin, dass Menschen, die 2018 in den griechischen Hotspots einen Asylantrag gestellt haben, Anhörungstermine im Jahr 2022 oder sogar 2023 erhalten haben. Des Weiteren ist die Ineffizienz der europäischen Politik zur Rückführung von Personen, die nicht asylberechtigt sind, ein wesentlicher Faktor für die Überlastung der Asylsysteme.

1.3.Erhebliche Ungleichgewichte im Asylbereich

Der außergewöhnliche Zustrom von Migranten verdeutlicht die Ungleichgewichte innerhalb der EU.

Zwischen 2008 und 2017 nahm ein Drittel der Mitgliedstaaten 90% der Asylbewerber in der EU auf. 2018 verzeichnete Deutschland den größten Zustrom (184180Anträge, d.h. 28% aller Anträge), gefolgt von Frankreich (120425Anträge, d.h. 19%), Griechenland (66695Anträge, d.h. 11%), Italien (59950Anträge, d.h. 10%) und Spanien (52700Anträge, d.h. 9%). Auch in Ersteinreiseländern wie in Griechenland, Malta und Zypern werden im Verhältnis zu ihrer Bevölkerungszahl viele Asylanträge gestellt.

Als Reaktion auf diese Krise haben einige Mitgliedstaaten die Anwendung der Verordnung in den Jahren 2015 und 2016 ausgesetzt. Zahlreiche Migranten, die über Griechenland, Italien oder Spanien eingereist sind, wurden aufgrund mangelnder Ressourcen, aber auch als Protest gegen die mangelnde Solidarität zwischen den Mitgliedstaaten nicht in Eurodac registriert.

Fakt ist: Das Dublin-System –das seit 1990 quasi unverändert ist– ist gescheitert.

1.4.Sofortmaßnahmen während der Krise

Als Reaktion auf die massive Zunahme der Einwanderung im Jahr2015 hat die Kommission Sofortmaßnahmen ergriffen: die Einrichtung von „Hotspots“ für die Aufnahme von Migranten und die Registrierung von Asylanträgen, einen Mechanismus für die zeitweilige Umverteilung der Asylbewerber und eine beispiellose Aufstockung der operativen und finanziellen Mittel für Frontex und das Europäische Unterstützungsbüro für Asylfragen (EASO).

Mit diesen Sofortmaßnahmen konnten die Defizite des GEAS und der Dublin-III-Verordnung jedoch nicht aufgefangen werden. Die griechischen Hotspots sind berüchtigt für ihre massive Überbelegung und inakzeptable sanitäre Bedingungen[7]. Anfang 2020 befanden sich dort immer noch 42000 Migranten, obwohl sie ursprünglich für 6000Personen ausgelegt waren.

Um den Migrantenzustrom und die gefährlichen Überfahrten über das östliche Mittelmeer zu bremsen, schloss der Europäische Rat am 18.März 2016 ein Abkommen mit der Türkei. Diese Erklärung, die außerhalb des internationalen Rechtsrahmens und ohne Anhörung des Europäischen Parlaments ausgearbeitet wurde, war als Übergangslösung für die Flüchtlingskrise gedacht. Der anhaltende politische Druck vonseiten des türkischen Präsidenten, insbesondere bezüglich der Lage an der griechisch-türkischen Grenze, hat jedoch die Schwäche dieses Abkommens verdeutlicht und die Notwendigkeit einer nachhaltigen europäischen Lösung unterstrichen.

Aufgrund der humanitären Lage der Migranten, insbesondere in Griechenland, ist die Einrichtung eines nachhaltigen Mechanismus zur Aufteilung der Zuständigkeiten zwischen den Mitgliedstaaten im Hinblick auf die Registrierung von Asylbewerbern unerlässlich.

1.5.Hotspots, Ad-hoc-Vereinbarungen und Umverteilung: erste Anzeichen von Solidarität

Dem Europäischen Rat für Flüchtlinge und im Exil lebende Personen (ECRE) zufolge wurde die Dublin-III-Verordnung in den Hotspots zwischen 2016 und 2018 insgesamt ordnungsgemäß angewendet[8]. Auf Grundlage des Kriteriums Familienzusammenführung hat Griechenland 8604Asylbewerber an andere Mitgliedstaaten überstellt. Mit der Unterstützung des EASO hat das Land 19784Aufnahmegesuche ausgestellt, 43% davon für Personen in Hotspots.

Der EuRH zieht eine kritische Bilanz der EU-Unterstützung für Griechenland und Italien ab 2015. Er weist auf operative Schwachstellen hin, die die Effizienz der Umverteilung, die Unterstützung der Sachverständigen des EASO und die Einhaltung der Fristen behindern[9].

2015 hat der Rat mit Unterstützung des Europäischen Parlaments zwei Beschlüsse zur Umverteilung von 160000Asylbewerbern aus Griechenland und Italien angenommen[10]. Die Mitgliedstaaten haben sich jedoch nur zur Umsiedlung von 98256Asylbewerbern verpflichtet, und tatsächlich umgesiedelt wurden letztendlich nur 34705. Einige Länder, die sich gegen diesen Beschluss ausgesprochen haben, haben sich schlichtweg geweigert, ihn umzusetzen.

Im zentralen Mittelmeer standen Italien und Malta aufgrund des gestiegenen Zustroms von Migranten, die über Libyen eingereist sind, vor großen Herausforderungen. Aufgrund der festgefahrenen Situation auf der Ebene der 27Mitgliedstaaten wurden 2019 mehrere Ad-hoc-Vereinbarungen getroffen, um Personen umzuverteilen, die durch eine Seenotrettung in die EU gelangt sind. Der Rechtsrahmen der Dublin-III-Verordnung bot die Möglichkeit freiwilliger Überstellungen in Mitgliedstaaten, die die „Erklärung von Malta“ unterzeichnet haben.

1.6.Zuständigkeit des Ersteinreiselands und Solidarität zwischen den Mitgliedstaaten

Ziel der Einführung des Grundsatzes des Ersteinreiselands im Jahr 1990 war es, den Mitgliedstaaten die Verantwortung im Hinblick auf die Verwaltung der EU-Außengrenzen zu übertragen. Dadurch wird diesen Ländern jedoch eine unverhältnismäßige Last auferlegt, was eine operative Unterstützung durch Frontex-Beamte unerlässlich macht.

Hinzu kommt, dass die Zahl der neuen Asylanträge in den Jahren 2017 (654600) und 2018 (580000) im Vergleich zum Höhepunkt des Zustroms in den Jahren 2015–2016 zwar gesunken ist, 2019 jedoch mit 714000 neuen Asylanträgen ein neuer Anstieg um 18% verzeichnet wurde. Ein Trend, der sich Anfang 2020 bestätigt hat: +20% im Vergleich zu 2019. Des Weiteren ist eine Diversifizierung der Migrationsrouten und der Herkunftsländer zu verzeichnen. Nach Syrern und Afghanen kommen mittlerweile auch zahlreiche Venezolaner und Kolumbianer in der EU an.

Die EU muss daher einen Solidaritätsmechanismus einrichten, um für eine faire Aufteilung der Lasten und der Verantwortung zwischen den Mitgliedstaaten zu sorgen, auch mithilfe einer Umverteilung, die auf objektiven Kriterien fußt.

2.TEILII: Strukturelle Mängel, unterschiedliche Auslegungen, operative Schwierigkeiten und politische Hindernisse

2.1.Hindernisse bei der Ermittlung des für einen Asylantrag zuständigen Mitgliedstaats

2.1.1.Verpflichtende Registrierung im Eurodac-System

Bei der Registrierung eines Asylantrags nach der Einreise eines Flüchtlings in die EU ist der Mitgliedstaat verpflichtet, die Fingerabdrücke in die Datenbank Eurodac aufzunehmen. Durch das Abrufen der Eurodac-Datei können die Behörden überprüfen, dass die Person nicht bereits in einem anderen Mitgliedstaat registriert wurde oder einen Asylantrag gestellt hat.

Allerdings wurden 2015, vor der Einrichtung von Hotspots, in den beiden Ländern, die die meisten Fälle unerlaubter Einreisen verzeichneten, Griechenland (885000) und Italien (154000), nur 11370beziehungsweise 83245Asylanträge gestellt[11]. Diese Mängel schwächen das Dublin-System und den Grundsatz des Ersteinreiselands erheblich und führen zu zahlreichen Sekundärbewegungen.

2.1.2.Uneinheitliche Anwendung der Rangfolge der Kriterien für die Ermittlung des zuständigen Mitgliedstaats

In KapitelIII der Dublin-Verordnung wird eine Rangfolge von Kriterien zur Ermittlung des Mitgliedstaats, der einen Asylbewerber aufnehmen muss, festgelegt. Vorrang hat die Einheit der Familie (Artikel8 bis11), danach kommen der Besitz von Aufenthaltstiteln und Visa (Art.12), die illegale Einreise oder der illegale Aufenthalt (Artikel13), die visafreie Einreise (Art.14), die Antragstellung in Transitzonen von Flughäfen (Artikel15) und das Land, in dem zum ersten Mal der Antrag gestellt wurde (Artikel3 Absatz2).

Die Aufnahmegesuche spiegeln diese Rangfolge jedoch nicht wider. 2018 wurde das Kriterium der Einheit der Familie in Frankreich in 5% der Fälle (bei 12000Anträgen) und in Deutschland in 3,7% der Fälle (bei 17500Anträgen) geltend gemacht. Diese Zahl ist in Belgien, Schweden, in der Schweiz oder in Österreich[12] noch niedriger, im Gegensatz zu Griechenland, wo sie bei 79,3% liegt.

Anträgen auf Familienzusammenführung wird seltener stattgegeben: lediglich in 48% der Fälle im Vergleich zu einer durchschnittlichen Quote von 67,6% für alle Verfahren. Allzu oft erlassen die Mitgliedstaaten Vorschriften, um die Familienzusammenführung zu reglementieren und einzuschränken, indem sie ein zwingendes Beweismaß verlangen (z.B. DNA-Test, Altersschätzung).

2.1.3.Verwaltungsaufwand der Dublin-Verfahren und uneinheitliche Anwendung

Die Zahl der Dublin-Verfahren ist von rund 90000 im Jahr 2014 auf 160000 in den Jahren 2016–2017 gestiegen. Von 2016 bis 2019 haben Deutschland und Frankreich bei Weitem die meisten Anträge gestellt: 68% aller Anträge wurden nur von diesen beiden Ländern gestellt. Spanien, Estland, Litauen, Lettland, die Slowakei, Bulgarien, Polen und die Tschechische Republik stellen wenige Dublin-Anträge. Überraschenderweise stellt Spanien nahezu keine Dublin-Anträge (7 im Jahr 2016, 11 im Jahr 2017, 7 im Jahr 2018), und das trotz einer hohen und steigenden Zahl der Asylanträge (16544 im Jahr 2016, 31738 im Jahr2017, 55570 im Jahr2018). Zum Vergleich: Griechenland hat 2016 2886Anträge gestellt (bei 51091Asylanträgen), 2017 waren es 9784Anträge (bei 58661Asylanträgen) und 2018 waren es 5211Anträge (bei 66969Asylanträgen).

Das Dublin-System bringt somit einen erheblichen finanziellen und administrativen Aufwand sowie eine erhebliche Bindung personeller Ressourcen mit sich, obwohl nur 11% der Überstellungen wirklich stattfinden. Des Weiteren sind große Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten zu beobachten: Von 2016 bis 2019 wurden in Griechenland 54,6% der Überstellungen und in Schweden 42,2% durchgeführt, aber lediglich 11,2% in Deutschland, 6,7% in Frankreich und 1,6% in Italien.

Darüber hinaus werden die Ermessensklauseln (Artikel17) selten angewendet. Die Souveränitätsklausel wurde im Jahr 2018 nur knapp 2000Mal angewendet, bei über 155000 Asylanträgen. Deutschland (65%), die Niederlande (13%) und Frankreich (10%) haben am häufigsten auf diese Klausel zurückgegriffen. Einige Länder haben sie nur einmal angewendet (Österreich, Dänemark, Polen), andere nie (Slowenien, Portugal, Rumänien, Bulgarien, Estland).

2.1.4.Zu komplexe und langwierige Verfahren

Die Verwaltungsformalitäten, die einem Asylbewerber bei seiner Ankunft in Europa auferlegt werden, sind komplex[13]. Die Zahl der beteiligten Stellen (administrative, juristische und medizinische Stellen, Polizei, NGO), ihre geografische Verteilung und in einigen Fällen ihre mangelnde Verfügbarkeit verlangsamen die Bearbeitung der Anträge erheblich. Auch die mangelnde Zusammenarbeit zwischen den Akteuren und mitunter die unzulängliche Arbeitsmoral ihres Personals tragen dazu bei. In Frankreich zum Beispiel werden die Asylbewerber in einer von 11Präfekturen des Landes registriert und müssen sich alle zwecks Vorstellung beim französischen Amt für den Schutz von Flüchtlingen und Staatenlosen (OFPRA) in die Region Paris begeben.

Der Anteil der Dublin-Verfahren an der Gesamtzahl der Asylanträge ist zwischen 2014 und 2016–2017 von 15% auf 26–27% gestiegen. Die für das Dublin-Verfahren zuständigen Stellen der Mitgliedstaaten hatten dementsprechend erheblich mehr Anträge zu bearbeiten, was zu Überlastungen und zu einer Verlängerung der Bearbeitungszeiten führte.

Um das extrem hohe Aufkommen an Asylanträgen zu bewältigen, wurden einige nationale Behörden umstrukturiert. Der Mangel an Personal ist eine der Hauptursachen für die Verzögerungen (es fehlen insbesondere Sachbearbeiter und Dolmetscher). Den verfügbaren Informationen zufolge haben Griechenland, Spanien und Zypern im Verhältnis zu der Zahl der Anträge weniger Sachbearbeiter im Asylwesen. Spanien verfügte 2019 über 197Sachbearbeiter für 55290 Anträge, während in Österreich 1121Sachbearbeiter für 5780Anträge zuständig waren. Durch den verstärkten Rückgriff auf zeitlich befristete Arbeitsverträge (z.B. in Griechenland und Zypern) können die Möglichkeiten der Behörden, Anträge zu bearbeiten, geschwächt werden.

Die Dublin-Verordnung sieht für jede Etappe der Dublin-Verfahren Fristen vor[14]. Allerdings werden diese Fristen regelmäßig erheblich überschritten, häufig um mehrere Monate. Auch über den Ausgangspunkt der einzelnen Verfahren gibt es unterschiedliche Auslegungen, die eine Klärung durch den EuGH erfordern (siehe Urteil in der Rechtssache Mengesteab).

Die Nichtanwendung einiger Klauseln (z.B. Familienzusammenführung, Aufnahme unbegleiteter Minderjähriger) und die Überschreitung der Fristen deuten zudem auf Schwierigkeiten bei der Überprüfung der Informationen über die Antragsteller hin. Viele gelangen ohne Ausweisdokumente in die EU, was die Bestimmung des Alters, der Nationalität und der Familienverhältnisse erschwert und zusätzliche Überprüfungen erforderlich macht.

2.2.Hindernisse für die Überstellung von Asylbewerbern

2.2.1.Zu kurze Zuständigkeitsdauer der Mitgliedstaaten

Nach einer Überstellungsentscheidung haben die Mitgliedstaaten sechsMonate Zeit (18Monate im Falle einer Flucht), um die Überstellung durchzuführen. Danach ist der ausstellende Staat für den Antrag zuständig.

In der Praxis veranlasst diese beschränkte Zuständigkeitsdauer die Mitgliedstaaten, die Asylbewerber aufnehmen sollen, in einigen Fällen dazu, die Überstellungen zu verzögern. Auch die Asylbewerber werden dadurch ermutigt, kein Verfahren anzustrengen, um ihren Antrag in einem anderen Mitgliedstaat zu stellen[15].

Durch eine Verlängerung der Zuständigkeitsdauer könnten Sekundärbewegungen und illegale Aufenthalte bekämpft werden.

2.2.2.Zahlreiche Hindernisse

Es bestehen zahlreiche Hindernisse unterschiedlicher Natur. Sie reichen von einer Verweigerung der Zusammenarbeit oder mangelnder Kooperationsbereitschaft der ersuchten Mitgliedstaaten über die Aufhebung der Entscheidungen durch einzelstaatliche Berufungsinstanzen bis hin zur Nichteinhaltung von Fristen. Ein weiterer nicht zu vernachlässigender Faktor besteht darin, dass sich Personen, die überstellt werden sollen, den Verwaltungsbehörden entziehen. Auf operativer Ebene verweisen die einzelstaatlichen Behörden auf Schwierigkeiten bei der Durchführung von Überstellungen und auf Transportbeschränkungen (häufig per Flugzeug) durch die Transportunternehmen (beschränkte Personenzahl pro Flug, obligatorisches namentlich ausgestelltes Beförderungsdokument, fehlende Anschlussflüge usw.).

Das Fehlen geeigneter Aufnahmekapazitäten oder die Nichtbeachtung der Dublin-Verfahren waren bereits Gegenstand der Rechtsprechung des EuGH und des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR). Beide Gerichte haben die Überstellung in Staaten, in denen den Antragstellern zu Unrecht internationaler Schutz verweigert worden wäre oder in denen sie Verletzungen der Grundrechte ausgesetzt gewesen wären, abgelehnt[16].

Auch gegen Dublin-Entscheidungen werden sehr häufig Rechtsmittel eingelegt. Dabei handelt es sich um ein grundlegendes Recht, das jedoch zahlreiche Dublin-Verfahren in die Länge zieht, da die Berufungsquote in allen Mitgliedstaaten hoch ist und bis zu 80% beträgt. Das Rechtsmittel bietet in einigen Fällen für Asylbewerber, die nicht überstellt werden möchten, eine Möglichkeit, auf dem Staatsgebiet eines Mitgliedstaats zu bleiben.

2.3.Bewegungen von Migranten – ein unterschätzter Faktor im europäischen Asylsystem

2.3.1.Sekundärbewegungen, der Feind des Grundsatzes eines einheitlichen Verfahrens für Asylanträge

Als Sekundärbewegung wird die Bewegung einer Person von dem Mitgliedstaat, der für ihren Asylantrag zuständig ist, in einen anderen bezeichnet. Dieses Phänomen stellt eine erhebliche Behinderung für das Dublin-System dar. Es behindert das Verfahren der Benennung des zuständigen Mitgliedstaats, erhöht die Anzahl der Dublin-Verfahren und höhlt den Grundsatz eines einheitlichen Verfahrens für Asylanträge in der EU aus.

Laut dem niederländischen Beratungsausschuss für Migrationsfragen (Adviescommissie voor Vreemdelingenzaken, ACVZ)[17] ist zwar die Zahl der Asylanträge nach den Jahren 2015–2016 gesunken, die Sekundärbewegungen haben jedoch stark zugenommen. Deutschland und Frankreich sind die beiden wichtigsten Zielländer dieser Bewegungen. Die Gründe sind vielfältig: familiäre Verbindungen, Vorhandensein einer Diaspora, Sprachkenntnisse, Aufnahmebedingungen, Chancen auf dem Arbeitsmarkt, Ablehnung der Überstellung.

Sekundärbewegungen werden auch von einem anderen wesentlichen Schwachpunkt des Systems beeinflusst: Unterschiede bei den Schutzniveaus. Ein gravierendes Beispiel ist das Schutzniveau von Afghanen, das je nach Mitgliedstaat zwischen 6% und 98% schwankt. Für Iraker schwankt das Niveau zwischen 8% und 98%. Aufgrund dieser Unterschiede in der Beurteilung und da es keine europäische Liste für sichere Herkunftsländer und keine gemeinsame Analyse der Länderrisiken gibt, begeben sich Asylbewerber nach Möglichkeit in die Mitgliedstaaten, in denen sie die größte Chance haben, internationalen Schutz zu erlangen. Die Unterschiede in den Aufnahmebedingungen stellen ebenfalls einen Faktor dar, der Sekundärbewegungen begünstigt.

Durch die Analyse der Sekundärbewegungen und ihrer Entwicklungen wird die Bedeutung einiger der ursprünglichen Grundsätze der Dublin-III-Verordnung infrage gestellt. Die unterschiedlichen Lebensbedingungen in den einzelnen Mitgliedstaaten wirken sich ebenfalls auf die Aufnahmebedingungen aus. Da die Wünsche der Antragsteller nicht berücksichtigt werden und angesichts der begrenzten Zuständigkeitsdauer der Mitgliedstaaten bemühen sich Migranten, sich in den von ihnen bevorzugten Mitgliedstaat zu begeben und nicht im System registriert zu werden, damit sie ihren Asylantrag anderswo stellen können.

Nationale Strategien, die ausschließlich auf Sanktionen oder Beschränkungen des Zugangs zum Asylsystem beruhen, wie sie bislang von einem Großteil der Mitgliedstaaten bevorzugt werden, können diesem Phänomen nur teilweise entgegenwirken. Ein System, das die Bewegungen der Antragsteller und ihre Gründe für die Antragstellung in einem bestimmten Mitgliedstaat nicht zumindest ein Stück weit berücksichtigt, ist zum Scheitern verurteilt[18].

2.3.2.Entwicklung der Migrationsströme

Es ist daher entscheidend, die Bewegungen der Migranten zu analysieren, um strukturierter auf den Zustrom reagieren zu können und die Asylverfahren besser zu organisieren.

Es wird eine Zunahme von Asylanträgen von Personen verzeichnet, die im Rahmen einer Visumbefreiung oder eines Aufenthaltsvisums legal eingereist sind. Nach Angaben des EASO wurde 2019 ein Viertel der Anträge von Personen gestellt, die im Rahmen einer Visumbefreiung eingereist sind. Die Länder, aus denen sie kommen, werden zwar als sichere Herkunftsländer eingestuft, bieten jedoch ein sehr geringes Schutzniveau: Nordmazedonien (1%), Moldau (1%), Venezuela (5%), Albanien (6%), Kolumbien (7%), Ukraine (9%). Durch diese vielen Asylanträge, die wenig Chancen auf Erfolg haben, werden die Asylsysteme überlastet.

Da es keine Daten über die Bewegungen von Migranten gibt, ist es schwierig, ein besseres Verständnis für die Defizite der Dublin-III-Verordnung zu entwickeln. Die Interoperabilität der Asyldaten ist daher von wesentlicher Bedeutung. Außerdem sollte dem EASO für die Durchführung dieser Analyse unter sicheren Bedingungen Zugang zu den Daten von Eurodac gewährt werden, und die Rolle der eu-LISA sollte erweitert werden.

2.3.3.Auswirkungen des Scheiterns der Dublin-Verordnung auf die Menschen

Die Ineffizienz der Dublin-Verordnung ist vor allem ein Problem für Migranten, die bereits in ihren Herkunftsländern oder auf dem Weg nach Europa Traumen erlebt haben. Die Monate oder sogar Jahre andauernde verwaltungstechnische Irrfahrt und Unsicherheit stellt ein weiteres Trauma dar und spielt Menschenhändlern in die Hände, die über Prostitutionsnetzwerke oder Zwangsarbeit Kontrolle über die Migranten ausüben. Das Scheitern des Dublin-Systems und des GEAS führt zu zahlreichen Verletzungen der Grundrechte. Die Zustände in den griechischen Hotspots haben ein bedauerliches und unmenschliches Ausmaß angenommen.

Der Schutz des Wohls von Kindern und unbegleiteten Minderjährigen erfordert besondere Aufmerksamkeit. Mehrere Mitgliedstaaten haben spezielle Stellen für unbegleitete Minderjährige eingerichtet (Belgien, Frankreich, Ungarn), andere setzen spezialisiertes Personal ein (Deutschland, Polen, Zypern). Doch diese vorbildlichen Verfahren werden nicht überall angewendet.

Eines der größten Hindernisse stellt die Bestimmung des Alters von Migranten dar. Die Verfahren sind je nach Mitgliedstaat unterschiedlich, und die Zuverlässigkeit der Bewertungen, zum Beispiel auf der Grundlage medizinischer Tests, ist nicht gesichert. Multidisziplinäre Ansätze, die von qualifizierten Experten umgesetzt werden, bieten die Möglichkeit, zahlreiche nützliche Anhaltspunkte zu sammeln, um das Alter von Personen zuverlässiger bestimmen zu können (das Vereinigte Königreich, Malta, Italien, Griechenland, die Niederlande und Frankreich nutzen solche Ansätze). Und obwohl die Benennung eines gesetzlichen Vertreters, der die Minderjährigen bei Asylverfahren begleitet oder vertritt, vorgeschrieben ist (Artikel6), sind wesentliche Defizite bei der Anwendung zu verzeichnen. Des Weiteren stellen einige Mitgliedstaaten Minderjährigen keine auf ihre Bedürfnisse zugeschnittenen Informationen zur Verfügung.

Das Recht auf Information (Artikel4) ist ein weiterer Grundsatz, der nicht ausreichend geachtet wird. Zu den Problemen gehören: Bereitstellung unvollständiger Informationen, eingeschränkter Zugang der Antragsteller zu Rechtsberatung, sprachliche Hindernisse und fehlende Dolmetscher, Verzögerungen bei der Bereitstellung von Informationen[19]. Als Grund für diese Defizite können unzureichende Mittel vor Ort angeführt werden; sie sind jedoch auch auf politische Entscheidungen zurückzuführen.

2.4.Aussetzung des GEAS und der Dublin-Verfahren während der COVID-19-Krise

Während der Gesundheitskrise und aufgrund der Lockdown-Maßnahmen wurden die Dublin-Verfahren erheblich reduziert oder sogar ausgesetzt. Das gilt insbesondere für die Gespräche mit den Asylbewerbern. Obgleich sich einige Länder für „Online-Sitzungen“ entschieden haben, wurden die meisten Gespräche verschoben[20]. Das EASO hat am 16.April 2020 Empfehlungen herausgegeben, um die Kontinuität des Asylrechts zu gewährleisten. Es ist jedoch kein geeigneter Plan für das Krisenmanagement unter derartigen Umständen vorhanden, wodurch die Umsetzung der Dublin-III-Verordnung weiter geschwächt wird.

2.5.Entwicklung von Steuerungsmechanismen und zunehmende Bedeutung der Agenturen der Union

Die Effizienz der Dublin-III-Verordnung wird durch zahlreiche Unterschiede bei der Auslegung und Umsetzung durch die Mitgliedstaaten untergraben. Einige dieser Unterschiede sind auf einzelstaatliche Strategien zurückzuführen, mit denen Sekundärbewegungen bekämpft oder Bearbeitungszeiten verkürzt werden sollen. Andere wiederum gehen auf traditionelle Verfahrensweisen oder mangelnden Dialog zwischen den einzelstaatlichen Asylbehörden zurück. Jedes Mal leidet das Gemeinschaftsinteresse: Sekundärbewegungen, die in einem Land unterbunden werden, werden zu einem Problem für ein anderes Land.

Darüber hinaus wurden bilaterale Abkommen zwischen Mitgliedstaaten und Drittstaaten oder zwischen Mitgliedstaaten abgeschlossen, mit denen die Effizienz der Verfahren verbessert oder die Überstellungen oder eine effiziente Rückführung von Asylbewerbern, deren Antrag abgelehnt wurde, gesichert werden sollen (z.B. Abkommen zwischen Spanien und Marokko oder zwischen Deutschland und Albanien). Aus diesen Abkommen sind Lehren zu ziehen, um sie in möglichst großem Maßstab umzusetzen und dabei in Zukunft Fehler zu vermeiden.

Durch eine Konvergenz im Bereich der Visumpolitik zwischen den Mitgliedstaaten könnte die Funktionsweise des GEAS und der Dublin-III-Verordnung ebenfalls verbessert werden, da zahlreiche Asylbewerber im Rahmen eines Visums oder einer Visumbefreiung legal in die EU einreisen.

Um die Konvergenz zwischen den einzelstaatlichen Systemen zu verbessern, hat die Kommission ein Netzwerk von für die Dublin-Verordnung zuständigen Sachverständigen der Mitgliedstaaten eingerichtet. Dessen Sitzungen finden jedoch zu selten statt (ein oder zwei Mal im Jahr), als dass sie operativ eine Rolle spielen könnten.

Das EASO hingegen spielt eine immer wichtigere und aktivere Rolle bei der Stärkung der Konvergenz und des gegenseitigen Vertrauens zwischen den Mitgliedstaaten und dem Entstehen einer gemeinsamen Asylkultur. 2016 hat das EASO das Netzwerk von Dublin-Stellen ins Leben gerufen, das aktiver ist als das Netzwerk der Kommission. Zudem gibt das EASO zahlreiche Leitfäden heraus[21]. Das Büro organisiert des Weiteren Schulungen für die Mitarbeiter der Dublin-Stellen.

Die operative Unterstützung der Mitgliedstaaten ist bislang der bei Weitem größte Beitrag des EASO zur Umsetzung der Dublin-Verordnung. Die Umwandlung des EASO in eine echte unabhängige Agentur muss Vorrang genießen, um die Effizienz des GEAS zu steigern.

Des Weiteren muss die Kommission auch bei der Umsetzung der Dublin-III-Verordnung eine größere Kohärenz mit den anderen Bestimmungen des GEAS (Aufnahme, Asylverfahren) sicherstellen. Eine Reform des GEAS ohne eine erhebliche Verbesserung der Rückführungsquoten nicht asylberechtigter Personen wäre sinnlos.

ENTWURF EINER ENTSCHLIESSUNG DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS

zu der Umsetzung der Dublin-III-Verordnung

(2019/2206(INI))

Das Europäische Parlament,

gestützt auf Artikel78 Absatz2 Buchstabee des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV),

unter Hinweis auf Artikel80 AEUV zum Grundsatz der Solidarität und der gerechten Aufteilung der Verantwortlichkeiten unter den Mitgliedstaaten, einschließlich in finanzieller Hinsicht,

unter Hinweis auf die Artikel1, 2, 3, 4, 18, 19 und 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union,

unter Hinweis auf die Artikel2, 3, 5, 8 und 13 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK),

unter Hinweis auf Artikel14 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, die 1948 von der Generalversammlung der Vereinten Nationen angenommen wurde,

unter Hinweis auf den Globalen Pakt der Vereinten Nationen für Flüchtlinge,

–unter Hinweis auf das Abkommen von 1951 und das Protokoll von 1967 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (Genfer Konventionen),

–unter Hinweis auf die Verordnung (EU) Nr.604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (Neufassung) („Dublin-III-Verordnung“)[22],

–unter Hinweis auf den Beschluss (EU) 2015/1523 des Rates vom 14.September 2015[23] und den Beschluss (EU) 2015/1601 vom 22.September 2015[24] zur Einführung von vorläufigen Maßnahmen im Bereich des internationalen Schutzes zugunsten von Italien und Griechenland,

unter Hinweis auf den Vorschlag der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat zur Reform der Dublin-III-Verordnung (COM(2016)0270),

unter Hinweis auf das vom Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres am 19.Oktober 2017 angenommene Verhandlungsmandat, das am 16.November 2017 im Plenum gebilligt und von der Konferenz der Präsidenten am 17.Oktober 2019 bestätigt wurde,

unter Hinweis auf seine Entschließung vom 12.April 2016 zur Lage im Mittelmeerraum und zur Notwendigkeit eines ganzheitlichen Ansatzes der EU für Migration[25],

unter Hinweis auf die Urteile des Gerichtshofs der Europäischen Union in Bezug auf die Verordnung(EU) Nr.604/2013, insbesondere C-695/15 PPU Mirza (ECLI:EU:C:2016:188), C-63/15 Ghezelbash (Große Kammer) (*) (ECLI:EU:C:2016:409), C-155/15, Karim (ECLI:EU:C:2016:410), C-578/16 PPU C.K. und andere (*) (ECLI:EU:C:2017:127), C-528/15 Al Chodor (ECLI:EU:C:2017:213), C-36/17 Ahmed (Beschluss) (ECLI:EU:C:2017:273), C-490/16 A.S. (Große Kammer) (ECLI:EU:C:2017:585), C-646/16 Jafari (Große Kammer) (*) (ECLI:EU:C:207:586), C-670/16 Mengesteab (Große Kammer) (ECLI:EU:C:2017:587), C-60/16 Khir Amayri (ECLI:EU:C:2017:675), C-201/16 Shiri (ECLI:EU:C:2017:805), C-360/16 Hasan (ECLI:EU:C:2018:35), C-647/16 Hassan (ECLI:EU:C:2018:368), C-213/17 X (ECLI:EU:C:2018:538), C-56/17 Fathi (ECLI:EU:C:2018:803), C-47/17 X (Große Kammer) (ECLI:EU:C:2018:900), C-661/17 M.A. und andere (Große Kammer) (*) (ECLI:EU:C:2019:53), C-163/17 Jawo (Große Kammer) (*) (ECLI:EU:C:2019:218), C-582/17 H. (Große Kammer) (*) (ECLI:EU:C:2019:280) und C-715/17, C-718/17 und C-719/17 Kommission gegen Polen, Ungarn und die Tschechische Republik,

–unter Hinweis auf die Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in Bezug auf die Verordnung (EG) Nr.604/2013 und insbesondere Sharifi gegen Österreich vom 5.Dezember 2013 (Kammerurteil), Mohammadi gegen Österreich vom 3.Juli 2014 (Kammerurteil), Sharifi u. a. gegen Italien und Griechenland vom 21.Oktober 2014 (Kammerurteil) und Tarakhel gegen die Schweiz vom 4.November 2014 (Urteil der Großen Kammer), und EGMR M.S.S. gegen Belgien und Griechenland (GK), Antrag Nr.30696/09, Urteil vom 21.November 2011 betreffend die Verordnung (EG) Nr.343/2003 vom 18.Februar 2003 (DublinII),

–unter Hinweis auf die europäische Migrationsagenda der Kommission vom 13.Mai 2015 (COM(2015)0240),

–unter Hinweis auf die sogenannte Erklärung von Malta vom September 2019,

–unter Hinweis auf die Studie des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge von August 2017 mit dem Titel „Left in limbo“ zur Umsetzung der Dublin-III-Verordnung,

–unter Hinweis auf die Bewertung der Dublin-III-Verordnung von 2015 und die Bewertung der Umsetzung der Dublin-III-Verordnung von 2016, die von ICF International im Namen der Kommission durchgeführt wurden,

–unter Hinweis auf den Sonderbericht Nr.2019/24 des Europäischen Rechnungshofs von November 2019 mit dem Titel „Asyl, Umsiedlung und Rückkehr von Migranten: Zeit für verstärkte Maßnahmen zur Beseitigung der Diskrepanzen zwischen Zielen und Ergebnissen“,

–unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission mit dem Titel „COVID-19: Hinweise zur Umsetzung der einschlägigen EU-Bestimmungen im Bereich der Asyl- und Rückführungsverfahren und zur Neuansiedlung“ (2020/C126/02),

–unter Hinweis auf den Bericht des Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen vom 2.Juni 2020 mit dem Titel „COVID-19 emergency measures in asylum and reception systems“ (Sofortmaßnahmen in Bezug auf COVID-19 in Asyl- und Aufnahmesystemen),

unter Hinweis auf den Bericht des Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen (EASO) vom Juni 2020 mit dem Titel „Annual Report on the Situation of Asylum in the European Union“ (Jahresbericht über die Asylsituation in der Europäischen Union),

–unter Hinweis auf die Bewertung der Umsetzung der Dublin-Verordnung durch den Wissenschaftlichen Dienst des Europäischen Parlaments (EPRS) von Januar 2019, die von Dr.Amandine Scherrer vom Referat Ex-post-Bewertung der Direktion Folgenabschätzungen und europäischer Mehrwert (erster Teil) und von dem Forschungsteam des Europäischen Rats für Flüchtlinge und im Exil lebende Personen (ECRE) auf Ersuchen des Referats Ex-post-Bewertung (zweiter Teil) erstellt wurde,

–unter Hinweis auf andere Studien, die vom Europäischen Parlament in Auftrag gegeben wurden, insbesondere die Bewertung des EPRS zur Umsetzung der Dublin-Verordnung und zu Asylverfahren in Europa von Gertrud Malmersjo und Milan Remáč aus dem Jahr 2016, die Studie der Fachabteilung Bürgerrechte und konstitutionelle Angelegenheiten (Generaldirektion Interne Politikbereiche der Union) zur Reform der Dublin-III-Verordnung von Francesco Maiani vom Juni 2016, die EPRS-Studie mit dem Titel „The Cost of Non-Europe in Asylum Policy“ (Die Kosten des Verzichts auf EU-politisches Handeln in der Asylpolitik) von Wouter van Ballegooij und Cecilia Navarra von Oktober 2018 sowie die EPRS-Studie zur Reform des Dublin-Systems von Anja Radjenovic von März 2019,

–unter Hinweis auf die Anhörung des Ausschusses für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres (LIBE) vom 19.Februar 2020,

–unter Hinweis auf die Antworten der Parlamente der Mitgliedstaaten zu ihrer Arbeit an der Dublin-III-Verordnung, die über das automatisierte System des Europäischen Zentrums für parlamentarische Wissenschaft und Dokumentation bereitgestellt wurden,

–unter Hinweis auf die Antwort Deutschlands auf eine Liste mit fünf Fragen, die vom LIBE-Vorsitz und der Berichterstatterin an alle staatlichen Behörden gesendet wurde, die am Dublin-Verfahren beteiligt sind,

–unter Hinweis auf die Informationsreisen der Berichterstatterin nach Bochum (Deutschland), Ter Apel (Niederlande), Bukarest (Rumänien) und Lampedusa (Italien),

gestützt auf Artikel54 seiner Geschäftsordnung sowie auf Artikel1 Absatz1 Buchstabee und Anlage3 des Beschlusses der Konferenz der Präsidenten vom 12.Dezember 2002 über das Verfahren für die Genehmigung zur Ausarbeitung von Initiativberichten,

unter Hinweis auf das Schreiben des Ausschusses für die Rechte der Frauen und die Gleichstellung der Geschlechter,

–unter Hinweis auf den Bericht des Ausschusses für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres (A9-0245/2020),

A.in der Erwägung, dass 1393920Asylbewerber im Jahr 2015 und 1292740Asylbewerber im Jahr 2016 in der EU+ einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt haben, was einem Anstieg um das Vierfache im Vergleich zu 2012 (373375Anträge) und 2013 (464515) entspricht; in der Erwägung, dass die Zahl der Anträge auf internationalen Schutz in der EU+ zwischen 2018 (665920) und 2019 (738425) erneut gestiegen ist, was 0,13% der Gesamtbevölkerung der EU im Jahr 2019 entspricht;

B.in der Erwägung, dass fast die Hälfte der Asylanträge in der EU von Kindern stammt und 2019 etwa 17700 unbegleitete Minderjährige einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt haben; in der Erwägung, dass 86% davon Jungen waren, von denen 90% zwischen 14 und 18 Jahren alt waren;

C.in der Erwägung, dass ein Mitgliedstaat, der einem Drittstaatsangehörigen ein Visum ausstellt, gemäß Artikel12 der Dublin-III-Verordnung für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist; in der Erwägung, dass gemäß Artikel14 der Dublin-III-Verordnung der Antrag eines Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen, der in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats eingereist ist, der eine Befreiung von der Visumpflicht gewährt, von diesem Mitgliedstaat geprüft wird;

D.in der Erwägung, dass im Jahr 2019 145000Entscheidungen über Dublin-Anträge ergingen; in der Erwägung, dass die Annahmequote für Entscheidungen über Dublin-Anträge bei 62% lag;

E.in der Erwägung, dass ein Drittel der Mitgliedstaaten im Zeitraum von 2008 bis 2017 90% der Asylbewerber aufgenommen hat;

F.in der Erwägung, dass die Kriterien für die Bestimmung der Zuständigkeit eines Mitgliedstaats für einen Asylantrag in hierarchischer Reihenfolge die Familieneinheit, die Ausstellung von Aufenthaltstiteln oder Visa, die illegale Einreise oder den illegalen Aufenthalt und die Befreiung von der Visumpflicht umfassen; in der Erwägung, dass – sollte keiner dieser Gründe zutreffen – der Mitgliedstaat, in dem als erstes ein Asylantrag gestellt wurde, der zuständige Mitgliedstaat gemäß Artikel3 Absatz2 ist; in Erwägung, dass als Folge der unverhältnismäßigen Anwendung von Artikel13, mit dem die Verantwortung für die Prüfung eines Asylantrags dem Mitgliedstaat der ersten illegalen Einreise zugeordnet wird, die Verantwortlichkeiten zwischen den Mitgliedstaaten nicht gerecht aufgeteilt sind; in der Erwägung, dass insbesondere während der Krise 2015—2016 in mehreren Mitgliedstaaten der ersten Einreise im Mittelmeerraum ein Großteil der Erstanträge gestellt wurde, nämlich in Griechenland, Italien, Malta, Zypern und Spanien;

G.in der Erwägung, dass Deutschland (82,8Millionen Einwohner, 18,6% der Gesamtbevölkerung der EU) 2018 den größten Zustrom verzeichnete (184180Anträge, d.h. 28% aller Anträge, was 0,22 % seiner Bevölkerung entspricht), gefolgt von Frankreich (66,9Millionen Einwohner, 15% der Gesamtbevölkerung der EU) mit 120425Anträgen (19% der Gesamtanträge, was 0,18% seiner Bevölkerung entspricht), Griechenland (10,74Millionen Einwohner, 2,4% der Gesamtbevölkerung der EU) mit 66695Anträgen (11% der Gesamtanträge, 0,62% seiner Bevölkerung), Italien (60,48Millionen Einwohner, 13,6% der Gesamtbevölkerung der EU) mit 59950Anträgen (10% der Gesamtanträge, 0,01% seiner Bevölkerung) und Spanien (46,66Millionen Einwohner, 10,49% der Gesamtbevölkerung der EU) mit 52700Anträgen (9% der Gesamtanträge, 0,11% seiner Bevölkerung);

H.in der Erwägung, dass Deutschland und Frankreich zwischen 2016 und 2019 bei Weitem die meisten Dublin-Anträge gestellt haben (68% der Gesamtzahl in der EU), während Spanien, Estland, Litauen, Lettland, die Slowakei, Bulgarien, Polen und die Tschechische Republik nur wenige Anträge gestellt haben; in der Erwägung, dass Spanien trotz einer großen und wachsenden Zahl von Asylanträgen fast keine Dublin-Anträge gestellt hat; in der Erwägung, dass erhebliche Unterschiede zwischen den Ländern bestehen‚ wobei 54,6% der Überstellungen ausgehend von Griechenland, 42,2% ausgehend von Schweden, 11,2% ausgehend von Deutschland, 6,7% ausgehend von Frankreich und 1,6% ausgehend von Italien durchgeführt wurden; in der Erwägung, dass eine erhebliche Informationslücke für eine Reihe von Ländern festzustellen ist;

I.in der Erwägung, dass die Dublin-III-Verordnung auf der Grundannahme beruht, dass Asylbewerbern in allen Mitgliedstaaten gleiche Rechte gewährt werden und dass jeder Antrag unabhängig davon, wo der Antrag in der EU gestellt wird, einer fairen Prüfung unterzogen wird; in der Erwägung, dass dies bei Weitem nicht der Realität entspricht;

J.in der Erwägung, dass die Mitgliedstaaten die Bestimmungen über abhängige Personen (Artikel16) oder die Ermessensklauseln aus humanitären Gründen (Artikel17) in der Verordnung nur in sehr begrenztem Umfang in Anspruch genommen haben; in der Erwägung, dass diese Klauseln sinnvolle Lösungen im Hinblick auf Familienzusammenführung und Umsiedlungen bieten, auch nach Ausschiffungen;

K.in der Erwägung, dass bei einem Großteil der Dublin-Verfahren die Bestimmungen über die Rangfolge der Kriterien sowie die festgelegten Fristen korrekt umgesetzt und die Überstellungen nicht durchgeführt werden; in der Erwägung, dass in Situationen, die Kinder und Familien betreffen, diese Defizite dem Wohl des Kindes und dem Recht der Asylbewerber auf Familienzusammenführung besonders abträglich sind;

L.in der Erwägung, dass in Daten und Studien über die Umsetzung der Dublin-III-Verordnung verdeutlicht wird, dass Familienbestimmungen gewohnheitsmäßig missachtet und der Grundsatz des Kindeswohls nicht korrekt angewandt wird; in der Erwägung, dass beispielsweise 2018 das Kriterium der Familieneinheit bei nur 5% der Aufnahmegesuche in Frankreich (von 12000) und bei 3,7% der Aufnahmegesuche in Deutschland (von 17500) geltend gemacht wurde, während der Anteil in Belgien, Schweden und der Schweiz noch geringer ausfiel; in der Erwägung, dass im Gegensatz dazu Griechenland 2018 79,3% seiner Aufnahmegesuche auf der Grundlage des Kriteriums der Einheit der Familie gestellt hat; in der Erwägung, dass Anträge auf Familienzusammenführung verglichen mit der durchschnittlichen Akzeptanz bei allen Verfahren (67,6% der Fälle) weniger häufig angenommen werden (48% der Fälle); in der Erwägung, dass mit der wirksamen Umsetzung von Artikel16 und 17 der Verordnung die Wirksamkeit des Rechts der Asylsuchenden auf Familienleben und Familieneinheit sichergestellt werden könnte;

M.in der Erwägung, dass die vorliegende Verordnung während der hohen Zahl der Ankünfte im Jahr 2015 und auch während der COVID-19-Pandemie maßgebliche Anwendungsdefizite aufgewiesen hat bzw. aufweist und dadurch das Vertrauen der Mitgliedstaaten untereinander untergraben, das Recht auf internationalen Schutz beeinträchtigt und zu Verletzungen der Grundrechte geführt hat; in der Erwägung, dass sich die Dublin-III-Verordnung zur Bewältigung eines starken Zustroms als ungeeignet erwiesen hat und auf diese Weise ein System entstanden ist, das wenigen Mitgliedstaaten übermäßige Verantwortung und Pflichten aufbürdet;

N.in der Erwägung, dass der befristete Solidaritätsmechanismus für Such- und Rettungseinsätze im Mittelmeer, der über die Erklärung von Malta eingerichtet und am 23.September 2019 von Deutschland, Frankreich, Italien und Malta unterzeichnet wurde, für einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten galt; in der Erwägung, dass sich kein anderer Mitgliedstaat dieser Ad-hoc-Vereinbarung angeschlossen hat;

O.in der Erwägung, dass die Bestimmung über präventive Maßnahmen (Artikel33) nie in Anspruch genommen wurde;

P.in der Erwägung, dass nach Artikel28 der Dublin-III-Verordnung eine Inhaftnahme als Ausnahmemaßnahme „zwecks Sicherstellung von Überstellungsverfahren“ zulässig ist, wenn mit Blick auf den Antragsteller „eine erhebliche Fluchtgefahr“ besteht; in der Erwägung, dass diese Definition nach wie vor unklar ist und von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat unterschiedlich ausgelegt wird;

Q.in der Erwägung, dass die Verfahrens- und Schutzgarantien für Asylbewerber, insbesondere für Kinder, nicht vollständig eingehalten werden; in der Erwägung, dass die Dauer der Verfahren und die Unvorhersehbarkeit der Ergebnisse in Verbindung mit schlechten Aufnahmebedingungen und sozialer Präkarität Auswirkungen auf das Wohlergehen der Asylbewerber haben, die in vielen Fällen traumatischen Erlebnissen im Heimatland und/oder auf ihrem Weg in die EU ausgesetzt waren;

R.in der Erwägung, dass die Umsetzung der Dublin-III-Verordnung eng mit der Umsetzung anderer Dossiers der europäischen Asyl- und Migrationspolitik verknüpft ist; in der Erwägung, dass sich insbesondere Mängel bei der Durchführung der Neufassung der Asylverfahrensrichtlinie (2013/32/EU), der Neufassung der Aufnahmerichtlinie (2013/33/EU) und der Neufassung der Anerkennungsrichtlinie (2011/95/EU) auch auf die Durchführung der Dublin-III-Verordnung ausgewirkt haben; in der Erwägung, dass die Europäische Kommission mehr tun sollte und auch auf Vertragsverletzungsverfahren zurückgreifen sollte, um sicherzustellen, dass die Mitgliedstaaten diese Richtlinien erfüllen;

S.in der Erwägung, dass einige dieser Mängel im Konzept der Dublin-Verordnung begründet sind und nicht mit einer besseren Durchführung allein gelöst werden können;

T.in der Erwägung, dass es aufgrund von Informationslücken nicht möglich ist, die Durchführung der Dublin-III-Verordnung umfassend zu bewerten; in der Erwägung, dass die statistischen Informationen von den Mitgliedstaaten nicht systematisch und konsequent zur Verfügung gestellt werden und nicht mit derselben Detailtiefe oder Häufigkeit erfolgen; in der Erwägung, dass Informationslücken in Bezug auf die Gründe für Anträge, die Verfahrensdauer, Ressourcen, zurückgezogene Anträge, gescheiterte Überstellungen, Rechtsmittel, Gerichtsverfahren und Inhaftnahme bestehen;

U.in der Erwägung, dass das Parlament am 6.November 2017 mit einer Zweidrittelmehrheit eine legislative Entschließung zum Vorschlag für eine Neufassung der Dublin-IV-Verordnung angenommen hat;

Aufnahme des Solidaritätsgrundsatzes in das Gemeinsame Europäische Asylsystem

1.vertritt die Auffassung, dass die gegenwärtige Dublin-III-Verordnung einer Minderheit der Mitgliedstaaten eine unverhältnismäßig hohe Verantwortung auferlegt, insbesondere, wenn viele Asylsuchende in die EU strömen; vertritt die Auffassung, dass aufgrund ihrer geografischen Lage das Kriterium der ersten Einreise in der Dublin-III-Verordnung eine beispiellose und unverhältnismäßige Belastung der Länder an vorderster Front im Zusammenhang mit der Registrierung und der Aufnahme von Asylsuchenden bedeutet; weist darauf hin, dass es nicht gelungen ist, mit dem Konzept und der Durchführung der Dublin-III-Verordnung ihr Hauptziel zu verwirklichen, nämlich die rasche Bestimmung des für einen Asylantrag zuständigen Mitgliedstaats und damit eine gerechte Aufteilung der Zuständigkeit unter den Mitgliedstaaten und einen zügigen Zugang zu Asylverfahren;

2.betont, dass als pragmatischer Ansatz die Einführung von Hotspots in Verbindung mit dem von der Kommission 2015 vorgeschlagenen Programm zur vorübergehenden Umverteilung die Bearbeitung von Asylanträgen bei Betreten des Hoheitsgebiets der EU erleichtert und die zu diesem Zeitpunkt offensichtlich gewordenen Mängel der Dublin-III-Verordnung ausgeglichen werden sollten; weist zudem erneut darauf hin, dass EU-Agenturen wie EASO und Frontex einen Beitrag leisten, die übermäßige Belastung einiger Mitgliedstaaten bei der Umsetzung des Besitzstandes der Union im Bereich Asyl auszugleichen, und betont, dass die Zusammenarbeit zwischen diesen Agenturen verbessert werden muss;

3.betont, dass die unangemessene Anwendung der Rangfolge der Kriterien, insbesondere die übermäßige Anwendung des Kriteriums des ersten Einreiselands und die unwirksame Durchführung von Überstellungen, die unverhältnismäßige Verantwortung bestimmter Mitgliedstaaten, insbesondere der Mitgliedstaaten an den Außengrenzen, erhöht hat; ist der Ansicht, dass die EU daher einen nachhaltigen Solidaritätsmechanismus benötigt, mit dem faire Regeln für die Aufteilung der Zuständigkeiten zwischen den Mitgliedstaaten gemäß Artikel80 AEUV und unter uneingeschränkter Achtung des Grundrechts auf Sicherheit und Schutz von Asylbewerbern festgelegt werden;

4.hält es für unerlässlich, den Mitgliedstaaten an den Außengrenzen mehr Mittel und Kapazitäten zur Verfügung zu stellen, beispielsweise über das EASO, solange die Dublin-Verordnung nicht reformiert wird;

5.weist erneut darauf hin, dass das Recht auf Asyl ein Grundrecht ist; betont, dass das Asylverfahren dazu dient, Anträge zu prüfen und Antragstellern, die die Voraussetzungen erfüllen, internationalen Schutz zu gewähren und gleichzeitig eine rasche und faire Entscheidung für diejenigen zu ermöglichen, die die Voraussetzungen nicht erfüllen;

6.stellt fest, dass die Mitgliedstaaten gemäß Artikel24 Absatz4 der Dublin-III-Verordnung im Falle von Personen, deren Antrag auf internationalen Schutz in einem Mitgliedstaat durch eine rechtskräftige Entscheidung abgelehnt wurde, entweder um Wiederaufnahme der betreffenden Person ersuchen oder ein Rückkehrverfahren durchführen können; betont, dass im Zusammenhang mit der Anwendung von Artikel24 Absatz4 die Rückkehr von Personen, die keinen Anspruch auf internationalen Schutz haben, insbesondere auf der Grundlage der freiwilligen Einhaltung der Vorschriften, das Funktionieren der Migrationspolitik der EU unterstützen könnte;

7.begrüßt die Umverteilungsbeschlüsse des Rates der Jahre 2015 und 2016, die als dringende Solidaritätsmaßnahme angenommen wurden; bringt seine Enttäuschung darüber zum Ausdruck, dass die Mitgliedstaaten ihren Verpflichtungen in Bezug auf Solidarität und ihre gemeinsame Verantwortung nicht nachgekommen sind, erkennt jedoch den positiven Beitrag einiger Mitgliedstaaten an; weist darauf hin, dass die Europäische Kommission nicht der Forderung gefolgt ist, die das Parlament in seiner Entschließung vom 18.Mai 2017 aufgestellt hat, nämlich vorzuschlagen, die Umsiedlungsmaßnahmen bis zur Annahme der Neufassung der Dublin-III-Verordnung zu verlängern; weist darauf hin, dass Ad-hoc-Vereinbarungen zur Umverteilung ein harmonisiertes und nachhaltiges Gemeinsames Europäisches Asylsystem (GEAS) nicht ersetzen können;

8.bedauert, dass der Rat im Gegensatz zum Parlament zur Neufassung der Dublin-IV-Verordnung keinen Standpunkt verabschiedet und daher Bemühungen zur Reform der Dublin-III-Verordnung trotz derer gut dokumentierten Mängel blockiert hat; ist der Auffassung, dass diese Blockade als Verstoß gegen den Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit der Organe der Europäischen Union gemäß Artikel13 Absatz2 EUV gewertet werden kann, wobei auch zu berücksichtigen ist, dass der Rat stets eine einstimmige Einigung angestrebt hat, selbst wenn eine qualifizierte Mehrheit gemäß dem Vertrag ausreichend war; hält es insbesondere für bedauerlich, dass in der Union nach wie vor dasselbe Regelwerk gilt, das sich als absolut unwirksam für die Bewältigung eines starken Flüchtlingszustroms erwiesen hat; fordert eine rasche Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems;

9.stellt fest, dass der in Artikel33 vorgesehene Mechanismus zur Frühwarnung, Vorsorge und Krisenbewältigung bisher noch nicht angewandt wurde, auch nicht während der hohen Zahl der Ankünfte in den Jahren 2015 bis 2016; stellt ferner fest, dass die Bestimmungen der Richtlinie über vorübergehenden Schutz, die auf den vorübergehenden Schutz im Falle eines Massenzustroms von Vertriebenen abzielen, die nicht in ihr Herkunftsland zurückkehren können, noch nicht geltend gemacht wurden;

10.ist der Auffassung, dass in der EU ein Solidaritätsmechanismus eingerichtet werden sollte, um die Kontinuität des Grundrechts auf Asyl in der EU und somit den Zugang zu Asyl und die gemeinsame Verantwortung der Mitgliedstaaten sicherzustellen; betont, dass der Schutz der Grundrechte von Asylsuchenden stets im Mittelpunkt dieses Mechanismus stehen sollte; vertritt die Auffassung, dass im Rahmen eines derartigen Mechanismus die Einbeziehung von Organisationen der Zivilgesellschaft möglich sein sollte, die Menschen, die internationalen Schutz benötigen, professionelle Unterstützung, insbesondere rechtlicher Art, bieten;

11.hebt hervor, dass die Ermessensklausel in Artikel17, die es einem Mitgliedstaat ermöglicht, die Zuständigkeit für einen Asylantrag zu übernehmen, auch wenn er nicht nach der Dublin-III-Verordnung als zuständiger Mitgliedstaat ermittelt wurde, unterschiedlich, selten und nur von einigen wenigen Mitgliedstaaten angewandt wird; stellt fest, dass die meisten Fälle im Jahr 2018 in Deutschland, den Niederlanden und Frankreich zu verzeichnen waren; fordert die Mitgliedstaaten auf, die Ermessensklausel nach Artikel17 besser zu nutzen, um in Ermangelung eines dauerhaften Solidaritätsmechanismus auf schwierige Situationen und humanitäre Notsituationen zu reagieren; ist der Ansicht, dass die Ermessensklauseln gemäß Artikel17 als Solidaritätsinstrument für die Aufteilung der Verantwortlichkeiten genutzt werden sollten, insbesondere in Situationen, in denen die Zahl der auf dem Land- und Seeweg ankommenden Migranten hoch ist, oder um Asylsuchende, die derzeit unter unmenschlichen, erniedrigenden, unhygienischen und unsicheren Bedingungen und ohne ausreichenden Zugang zu physischer und psychischer Unterstützung in den Hotspots leben, zu überstellen;

12.vertritt die Auffassung, dass die Bestimmungen über die Einheit der Familie, die in der Kriterienrangfolge für die Feststellung der Verantwortlichkeit an erster Stelle stehen, wirksam umgesetzt werden sollten und dass die Bestimmungen über abhängige Personen (Artikel16) und die Ermessensklauseln (Artikel17) umfassender genutzt werden könnten, um die Einheit der Familie zu fördern;

13.weist auf die zahlreichen Herausforderungen hin, die im Zusammenhang mit der Durchführung der Dublin-III-Verordnung bestehen; stellt fest, dass das Europäische Unterstützungsbüro für Asylfragen (EASO) den Behörden der Mitgliedstaaten bei der Umsetzung der Dublin-Verfahren, insbesondere in den Hotspots, entscheidende operative und technische Unterstützung leistet;

14.fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, den Mitarbeitern des EASO die Arbeit zu erleichtern, indem es dem Interviewer von Antragstellern gestattet wird, eine andere Sprache als die des Landes zu verwenden, in dem das Gespräch durchgeführt wird, wobei gleichzeitig sicherzustellen ist, dass der Antragsteller eine Verdolmetschung in eine ihm verständliche Sprache erhält; betont, dass das EASO bei seiner operativen Arbeit die höchsten Standards einhalten und die Interessen der Antragsteller, die internationalen Schutz benötigen, was auch das Kindeswohl einschließt, in den Mittelpunkt seiner Arbeit stellen muss; fordert die Schaffung einer Europäischen Asylagentur, die über ausreichende finanzielle und personelle Mittel verfügt und die Mitgliedstaaten bei den Dublin-Verfahren unterstützt; fordert nachdrücklich eine angemessene Organisation und personelle Ausstattung der europäischen Dublin-Stellen, um den Abschluss der Dublin-bezogenen Verfahren zu optimieren und zu beschleunigen und insbesondere die korrekte Anwendung von KapitelIII der Dublin-III-Verordnung sicherzustellen, das einen Asylsuchenden mit einem bestimmten Mitgliedstaat verbindet;

Schutz der Grundrechte

15.weist erneut darauf hin, dass der Schutz der Grundrechte bei der Durchführung der vorliegenden Verordnung im Mittelpunkt stehen muss, was insbesondere auch den Schutz von Kindern, Opfern von Menschenhandel, LGBTI-Personen und sonstigen Menschen in prekären Situationen einschließt; weist auf die menschlichen Kosten hin, die die Mängel des GEAS für Asylbewerber mit sich bringt, deren psychische Gesundheit bereits durch Traumata geschwächt ist, die auf ihre Erfahrungen in ihrem Herkunftsland und möglicherweise entlang der Migrationsrouten zurückgehen;

16.weist erneut darauf hin, dass Asylbewerber das Recht haben, umfassend über die Verfahren informiert zu werden; bedauert, dass der Umfang der Informationen, die Asylbewerbern zur Verfügung gestellt werden, von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat erheblich variiert; fordert die Mitgliedstaaten nachdrücklich auf, dafür zu sorgen, dass Minderjährige bedarfsgerechte, kindgerechte Informationen und spezifische Unterstützung erhalten; betont, dass die Bereitstellung eines Rechtsbeistands und eines Dolmetschangebots von entscheidender Bedeutung ist, wenn es darum geht, das Recht der Antragsteller auf Information sicherzustellen;

17.weist darauf hin, dass die Überstellung von Asylbewerbern, insbesondere von schutzbedürftigen Personen, Minderjährigen und von Familien, zu Verletzungen ihrer Menschenrechte führen kann; bekräftigt, dass Nichtzurückweisung und Menschenrechtsverletzungen ausreichen, um eine Überstellung auszusetzen, selbst wenn das Zielland keine systemischen Probleme aufweist; fordert die Mitgliedstaaten nachdrücklich auf, die Risiken, denen Antragsteller in den Bestimmungsmitgliedstaaten ausgesetzt wären, angemessen zu bewerten; betont insbesondere, dass Überstellungen so durchgeführt werden müssen, dass Personen unter keinen Umständen der Gefahr der Zurückweisung ausgesetzt sind;

18.weist erneut darauf hin, dass gemäß Artikel28 die Inhaftierung von Asylsuchenden nach dem Dublin-Verfahren nur als letztes Mittel genutzt werden darf und nur sofern die Haft mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu vereinbaren ist und sich keine anderen weniger einschneidende Maßnahmen wirksam anwenden lassen, um die Überstellungsverfahren zu sichern, in den Fällen, in denen eine erhebliche Fluchtgefahr besteht; fordert die Mitgliedstaaten auf, konkrete Anstrengungen zu unternehmen, um gültige Alternativen zur Inhaftierung zu finden;

19.ist der Auffassung, dass eine solche Inhaftierung so kurz wie möglich sein muss und nicht länger dauern darf als der Zeitraum, der nach vernünftigem Ermessen erforderlich ist, um die erforderlichen Verwaltungsverfahren mit der gebotenen Sorgfalt durchzuführen, bis die Überstellung nach dieser Verordnung durchgeführt wird; hebt hervor, dass die Mitgliedstaaten in Ermangelung harmonisierter Kriterien für die Bestimmung der Fluchtgefahr unterschiedliche und gelegentlich umstrittene Kriterien festgelegt haben; fordert die Mitgliedstaaten und die Kommission auf, zu präzisieren, was eine „erhebliche Fluchtgefahr“ bedeutet;

20.fordert die Mitgliedstaaten und die Kommission nachdrücklich auf, klarzustellen, dass die Inhaftierung niemals dem Wohl des Kindes dient;

21.weist darauf hin, dass es nach Auffassung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte[26] rechtswidrig ist, Minderjährige ohne Berücksichtigung ihres Wohls, ihrer individuellen Situation als unbegleitete Minderjährige, gegebenenfalls ohne Prüfung der Verhältnismäßigkeit oder ohne dass Alternativen zur Inhaftnahme zur Verfügung stehen, in Haft zu nehmen;

22.betont, dass der letztendliche Zweck des Schutzes von Kindern, beispielsweise vor Kinderhandel, stets Vorrang haben muss, um sicherzustellen, dass minderjährige Migranten rasch Zugang zu Bildung, Gesundheitsversorgung und angemessenen Unterkünften haben; hebt hervor, dass unbegleitete Kinder in den Genuss angemessener Schutzmaßnahmen wie einer wirksamen Vormundschaft kommen sollten;

23.weist auf zahlreiche und systembedingte Mängel bei der Einhaltung der Kriterienrangfolge hin; betont, dass die Einheit der Familie bei Weitem nicht das am häufigsten angewandte Kriterium ist, obwohl es gemäß KapitelIII der Verordnung an der Spitze der Rangfolge steht; ist der Auffassung, dass die Mitgliedstaaten auf der Grundlage des Grundsatzes der loyalen Zusammenarbeit die zuständigen Behörden und Drittstaatsangehörige dabei unterstützen sollten, den Aufbau bestehender nachgewiesener familiärer Bindungen im Verfahren zur Bestimmung der zuständigen Mitgliedstaaten zu verbessern; fordert die Kommission auf, die umfassende Einhaltung der Rangfolge der Kriterien sicherzustellen;

24.hält es für notwendig, die Bedingungen für die Anwendung des Kriteriums der Familienzusammenführung zu klären und gemäß Artikel7 Absatz3 der Verordnung der Anwendung der Artikel8, 10 und 16 als Hauptkriterien Vorrang einzuräumen, wenn es um die Bestimmung des für die Prüfung eines Asylantrags zuständigen Mitgliedstaats geht, um die Wirksamkeit des Rechts auf Familienzusammenführung und eine schnellere Umsetzung von Entscheidungen zur Familienzusammenführung sicherzustellen; fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, das für die Familienzusammenführung erforderliche Beweismaß in Richtung besser erreichbarer Standards und Anforderungen zu harmonisieren; weist darauf hin, dass die Auslegung des Begriffs „Familie“ in den einzelnen Mitgliedsstaaten unterschiedlich ist, was dazu beiträgt, dass die Kriterienrangfolge nicht eingehalten wird und das System nicht funktionsfähig ist; fordert die Kommission daher auf, die ordnungsgemäße Anwendung der in Artikel3 der Verordnung definierten familienbezogenen Definitionen durch die Mitgliedstaaten sorgfältig zu überwachen;

25.weist darauf hin, dass dem Wohl des Kindes bei allen Dublin-Verfahren und Entscheidungen, die Kinder betreffen, Vorrang eingeräumt werden sollte; bedauert, dass die Mitgliedstaaten das Wohl des Kindes unterschiedlich auslegen;

26.bedauert, dass unangemessen Identifizierungsverfahren und bisweilen fehlerhafte Methoden der Altersbestimmung die Situation von Minderjährigen häufig weiter verschärfen, was zu Verzögerungen führt oder sich nachteilig auf das Ergebnis des Dublin-Verfahrens auswirkt; stellt fest, dass in einigen Mitgliedstaaten bewährte Verfahren entwickelt wurden, etwa der Einsatz von spezialisiertem Personal für unbegleitete Minderjährige oder der multidisziplinäre Ansatz zur Bestimmung des Alters;

27.ist ernsthaft besorgt darüber, dass sich die Benennung eines Vertreters zur Unterstützung unbegleiteter Minderjähriger bei Dublin-Verfahren in vielen Mitgliedstaaten aufgrund von Problemen in der Praxis häufig verzögert oder gar nicht sichergestellt wird; stellt ferner fest, dass die Vertreter in einigen Ländern nicht ausreichend über die Dublin-Verfahren informiert sind und unbegleitete Minderjährige keine kindgerechte Unterstützung erhalten;

Vereinfachung der Verfahren‚ deutliche Verkürzung der Bearbeitungszeiten und Wahrung des Rechts auf einen wirksamen Rechtsbehelf

28.weist darauf hin, dass die Zahl der Überstellungen 2016–2017 stark zugenommen hat, wodurch erhebliche personelle, materielle und finanzielle Kosten entstanden sind; bedauert indessen, dass Überstellungen nur in 11% der Fälle durchgeführt wurden, was zur dauerhaften Überlastung der Asylsysteme beiträgt und die mangelnde Wirksamkeit der Verordnung deutlich zeigt; hält die Bemühungen für wesentlich, die darauf ausgerichtet sind, den Zugang zu Informationen und die rasche Durchführung von Verfahren zur Familienzusammenführung und zur Überstellung von Asylbewerbern sicherzustellen;

29.weist auf die wichtige Rechtsprechung des EGMR und des EuGH in den letzten Jahren hin, in der die zulässigen Gründe für die Verhinderung von Dublin-Überstellungen präzisiert wurden, die insbesondere jedwede mögliche Gefährdung der Person einschließen; stellt insbesondere fest, dass europäische und nationale Gerichte immer häufiger entscheiden, Überstellungen in Mitgliedstaaten auszusetzen, in denen einem Asylbewerber der internationale Schutz auf unfaire Weise verweigert würde (indirekte Zurückweisung) oder ihm seine Rechte im Dublin-Verfahren verweigert würden; bedauert, dass Asylbewerber in bestimmten Mitgliedstaaten unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung ausgesetzt sind;

30.stellt fest, dass Mängel bei der strukturellen Organisation und der Arbeitsweise der nationalen Asylbehörden zusammen mit mangelnden Ressourcen zu einer Verzögerung der Dublin-Verfahren beigetragen und die Anwendung der Verordnung behindert haben; stellt fest, dass die meisten Staaten zwar eine Sonderbehörde für Asyl eingerichtet haben, einige Mitgliedstaaten jedoch beschlossen haben, die Zuständigkeit zwischen verschiedenen Behörden aufzuteilen, was in bestimmten Fällen zu Komplikationen in der Praxis für Asylbewerber und zu Unterschieden bei der Durchführung der Verordnung führt;

31.betont, dass die Wirksamkeit der Dublin-Verfahren auch von der Kompetenz und dem Umfang des Personals der einzelnen nationalen Asylbehörden abhängt; stellt fest, dass zwischen den Asylbehörden erhebliche Unterschiede in Bezug auf die Zahl der Mitarbeiter pro Asylbewerber bestehen; betont, dass die nationalen Dublin-Stellen unterbesetzt sind, während zugleich ihre Arbeitsbelastung erheblich steigt; fordert die Mitgliedstaaten auf, die Ressourcen und insbesondere die Zahl der Beamten im Asylwesen soweit aufzustocken, dass die Dublin-III-Verordnung durchgeführt werden kann;

32.weist auf die mangelnde Zusammenarbeit und den fehlenden Informationsaustausch zwischen den Mitgliedstaaten hin‚ wodurch der Grundsatz der Solidarität der EU aktiv beeinträchtigt wird und unmittelbar zur Überlastung der Systeme in bestimmten Mitgliedstaaten beigetragen wird;

33.betont, dass die übermäßige und teilweise unangemessene Anwendung des Kriteriums der „irregulären Einreise“ eine unverhältnismäßige Belastung für die Staaten der ersten Einreise bedeutet, denen es häufig an Ressourcen und Kapazitäten für die Aufnahme und Registrierung von Asylbewerbern fehlt; stellt fest, dass Wiederaufnahmegesuche in den letzten Jahren die vorherrschende Form von Dublin-Verfahren waren, was bedeutet, dass die meisten Personen, die sich in einem Dublin-Verfahren befinden, bereits in einem anderen Mitgliedstaat Asyl beantragt haben; stellt fest, dass angemessene Maßnahmen zur Verhinderung von Sekundärbewegungen sowohl für die Mitgliedstaaten im Schengen-Raum als auch für diejenigen außerhalb des Schengen-Raums gelten sollten;

34.weist darauf hin, dass die Fristen in den einzelnen Phasen des Dublin-Verfahrens dazu dienen sollen, das Verfahren kurz zu halten und rasch Zugang zum Asylverfahren zu erhalten; stellt fest, dass hinsichtlich der Berechnung der Fristen und des Zeitpunkts, zu dem die Frist für die einzelnen Verfahren beginnt, nach wie vor Unklarheit herrscht und Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten bestehen; schlägt vor, die Bedingungen für die Einleitung von Überstellungsverfahren zu präzisieren und zu harmonisieren;

35.vertritt die Auffassung, dass die Bestimmungen für die Übertragung der Zuständigkeit gemäß der Dublin-III-Verordnung in einigen Fällen die Effizienz der Asylverfahren und die Durchführung von Überstellungen beeinträchtigen, da sie die Fluchtgefahr erhöhen; missbilligt die häufig vorgeschobenen Begründungen der Mitgliedstaaten für eine Verweigerung von Überstellungen; vertritt die Auffassung, dass diese Faktoren unter anderem zum Anstieg der Sekundärbewegungen beitragen, indem Anreize für die Asylbewerber geschaffen werden, sich den Behörden zu entziehen; fordert die Kommission auf, die Vorschriften zu überarbeiten, um die Durchführung von Überstellungen zu verbessern und die Übertragung der Zuständigkeit in Fällen, in denen ein Asylbewerber flüchtig ist, abzuschaffen, um das Vertrauen zwischen den Mitgliedstaaten zu stärken, die Lage zu überwachen und gegebenenfalls Sanktionen gegen Mitgliedstaaten zu verhängen, die Überstellungen ablehnen;

36.stellt fest, dass die fehlerhafte Anwendung der Vorschriften über die Kriterienrangfolge, insbesondere in Bezug auf die Familienzusammenführung und die Situation unbegleiteter Minderjähriger, sowie die unverhältnismäßige Anwendung des Kriteriums des Landes der ersten irregulären Einreise auch die Asylverfahren untergraben; stellt fest, dass durch diese Umsetzungslücken Anreize für die Asylbewerber geschaffen werden, sich den Behörden zu entziehen; betont, dass eine weitere Harmonisierung der Asylsysteme der Mitgliedstaaten von entscheidender Bedeutung ist, wenn die Dublin-III-Verordnung funktionieren und eine Sekundärmigration verhindert werden soll; fordert die Kommission auf, ein System vorzuschlagen, das die nachgewiesenen sinnvollen Verbindungen von Asylbewerbern zu einem Mitgliedstaat, wie etwa früherer rechtmäßiger Aufenthalt oder Bildungsabschlüsse, gebührend berücksichtigt und sicherstellt, dass Asylbewerber in der gesamten EU relativ gleich behandelt werden;

37.vertritt die Auffassung, dass eine rechtliche Beratung für Asylbewerber für die Dublin-Verfahren, insbesondere in Hotspots, von grundlegender Bedeutung ist, wenn es darum geht, die Antragsteller über ihre Rechte und Pflichten während des Asylverfahrens zu informieren; betont, dass dies die vorschriftskonformen Verfahren verbessern, die Dublin-Verfahren vereinfachen und die Entscheidungsfindung verbessern würde; hebt hervor, dass ein rechtlicher Vertreter sicherstellen kann, dass jede Akte vollständig und korrekt ist, was wiederum zur Verringerung der Zahl der Rechtsbehelfe und zur Wahrung des Rechts auf Nichtzurückweisung beitragen würde; stellt mit Besorgnis fest, dass einige spezifische Probleme auf nationaler Ebene fortbestehen, etwa der begrenzte Zugang zu unabhängigen Rechtsvertretern in abgelegenen Asylzentren, niedrige Sätze für die finanzielle Vergütung von rechtlicher Beratung, Mangel an angemessenen Einrichtungen für vorbereitende und private Befragungen und die unzureichende Bereitstellung von Verfahrenshilfe für Antragsteller in Hafteinrichtungen; fordert die Mitgliedstaaten und die Europäische Kommission auf, die für Rechtsbeistand während des Dublin-Verfahrens zur Verfügung stehenden Mittel aufzustocken,

38.betont, dass Qualität und Umfang der Informationen, die den Antragstellern im Rahmen der Dublin-Verfahren zur Verfügung gestellt werden, bei Weitem nicht zufriedenstellend sind und von Land zu Land und in einigen Fällen innerhalb von Ländern erheblich variieren; stellt fest, dass die Einhaltung des Rechts auf Information von verschiedenen Faktoren bestimmt wird, wie die Qualität und Klarheit der Informationen, der Zugang zu einem Dolmetscher, die Verfügbarkeit übersetzter Dokumente und der rechtzeitige Zugang zu Informationen; weist darauf hin, dass das Recht auf Information gemäß Artikel4 der Verordnung angesichts der Komplexität der Dublin-Verfahren und mit Blick auf die Sicherstellung des Zugangs zu einer fairen Prüfung eines Asylantrags in der EU von wesentlicher Bedeutung ist; betont, dass Defizite in diesem Bereich einem Mangel an Ressourcen geschuldet sein können, in bestimmten Ländern, in denen nur sehr wenige gesetzliche Vertreter ernannt wurden, aber auch auf bewusste politische Entscheidungen zurückzuführen sind; fordert die Mitgliedstaaten nachdrücklich auf, mit Unterstützung der Kommission und des Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen die den Asylbewerbern zur Verfügung gestellten Informationen über die komplexen Dublin-Verfahren zu verbessern, um sicherzustellen, dass sie klar und für jedermann zugänglich sind, insbesondere im Hinblick auf die Familienzusammenführung gemäß den Artikeln4 und 26 der Verordnung und den Zugang zu einem wirksamen Rechtsbehelf und rechtlicher Beratung gemäß Artikel27;

39.fordert die Kommission auf, die allgemeine Umsetzung des GEAS sowie etwaige Lücken und Mängel in der Dublin-III-Verordnung zu bewerten, die zu einer unverhältnismäßigen Belastung der Länder an den Außengrenzen der EU führen;

Eine einheitliche und an Rechten orientierte Umsetzung der Dublin-Regelungen in Asylfällen in der gesamten EU

40.weist darauf hin, dass der Grundsatz eines einzigen EU-Asylantrags nicht aufrechterhalten werden kann, was dem eigentlichen Ziel der Dublin-III-Verordnung zuwiderläuft; stellt fest, dass die Umsetzung dieses Grundsatzes durch verschiedene Faktoren behindert wird, was bedeutet, dass es mehrere Gründe für die Einreichung nachfolgender Asylanträge gibt; vertritt die Auffassung, dass die zuständigen einzelstaatlichen Behörden ihre nützlichen Informationen, insbesondere im Zusammenhang mit der Anerkennung und Ablehnung von Asylanträgen, über eine Datenbank wie Eurodac unter Wahrung des Schutzes personenbezogener Daten austauschen sollten, um die Verfahren zu beschleunigen und Mehrfachanträge zu vermeiden; ist der Ansicht, dass die Registrierung aller Antragsteller und aller Migranten, die illegal Grenzen überschreiten, vorrangig ist;

41.stellt fest, dass sich das Schutzniveau für Asylbewerber bestimmter Nationalitäten in den einzelnen Mitgliedstaaten stark voneinander unterscheidet und dies dazu beitragen kann, dass die betroffenen Personen weiterreisen; ist der Ansicht, dass die Berücksichtigung der individuellen Bedürfnisse der Antragsteller im Rahmen der Dublin-Verfahren dazu beitragen würde, die Sekundärbewegungen zu reduzieren; ist der Ansicht, dass die Berücksichtigung „nachgewiesener sinnvoller Verbindungen“ zu einem bestimmten Mitgliedstaat ein wirksames Konzept zur Verringerung der Sekundärbewegung ist, und fordert, dass dies als Kriterium für die Umverteilung aufgenommen wird;

Stärkung der Governance und der Konvergenz zwischen den Mitgliedstaaten

42.betont, dass das von der Kommission eingerichtete Netzwerk der Dublin-Einheiten der Mitgliedstaaten nur ein- oder zweimal im Jahr zusammengekommen ist und keine operative Aufgabe hat; ist der Auffassung, dass die unkoordinierte Nutzung des Netzwerks der Dublin-Einheiten des EASO eine wirksame Funktionsweise der Dublin-III-Verordnung verhindert; stellt fest, dass das Dublin-Netzwerk des EASO dagegen deutlich aktiver war und dass das EASO zahlreiche nützliche Maßnahmen zur Unterstützung der Mitgliedstaaten bei der Durchführung der Dublin-Verordnung, beispielsweise die Erstellung von Leitlinien und Analysen, die Organisation von Schulungen oder die Bereitstellung von Mitarbeitern, ergriffen hat; fordert nachdrücklich eine engere Zusammenarbeit zwischen den nationalen Asylbehörden, um Informationen auszutauschen, die Entwicklung einheitlicher und bewährter Verfahren zu fördern, Überstellungen zu straffen und zur Verhinderung von Mehrfachanträgen beizutragen; schlägt vor, das EASO mit der Schaffung einer stärkeren Governance bezüglich der Anwendung der vorliegenden Verordnung zu betrauen, die einen monatlichen operativen Dialog zwischen den einzelstaatlichen Behörden und eine Plattform für den Austausch von Informationen und bewährten Verfahren umfasst;

43.fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, zu den Quellen, die für die Überwachung der Durchführung der Verordnung herangezogen werden, zuverlässige, aktuelle Informationen aufzunehmen, die von nichtstaatlichen Akteuren, insbesondere von internationalen Organisationen und NGO, bereitgestellt werden;

44.stellt fest, dass zwischen 2008 und 2017 zahlreiche Asylanträge von Drittstaatsangehörigen gestellt wurden, die visumfrei oder mit einem Visum für einen kurzfristigen Aufenthalt in den Schengen-Raum eingereist sind[27]; stellt ferner fest, dass einige dieser Anträge in einem anderen Mitgliedstaat als demjenigen gestellt wurden, für den das Visum ausgestellt worden war; betont, dass für anschließende Dublin-Verfahren nachgewiesen wurde, dass die Bestimmungen der Artikel12 und 14 nicht klar genug sind, was die Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats behindert; fordert die Kommission auf, klarzustellen, wie Artikel12 und 14 der Verordnung anzuwenden sind, wenn festgelegt wird, welcher Mitgliedstaat für einen Asylantrag zuständig sein sollte; schlägt vor, als eines der Kriterienrangfolge, die möglichen Auswirkungen von Anträgen auf Befreiung von der Visumpflicht auf das ordnungsgemäße Funktionieren des Dublin-Systems zu bewerten;

45.weist darauf hin, dass die Mitgliedstaaten bilaterale Abkommen abgeschlossen haben, um die Dublin-Verfahren effizienter zu gestalten oder die Überstellung von Asylsuchenden sicherzustellen; betont jedoch, dass sie sich auch als nachteilig erwiesen haben, wodurch in bestimmten Fällen die Verwirklichung der Ziele der Verordnung auf europäischer Ebene geschwächt wurde; fordert die Kommission und alle Mitgliedstaaten nachdrücklich auf, eher eine Bestandsaufnahme der Faktoren vorzunehmen, die zu mehr Effizienz beitragen, gemeinsame und koordinierte Maßnahmen zu ergreifen, um die wirksame Umsetzung der Dublin-III-Verordnung zu optimieren, und auf eine Harmonisierung der Umsetzung der Verordnung hinzuarbeiten; 46. stellt fest, dass die Mitgliedstaaten mit Unterstützung der Kommission und in Abstimmung mit ihr Präventionspläne erstellen können, wenn die Anwendung der Verordnung durch ein begründetes Risiko eines besonderen Drucks auf die Asylsysteme der Mitgliedstaaten und/oder durch Probleme bei der Funktionsweise ihrer Asylsysteme gemäß Artikel33 gefährdet werden könnte; stellt fest, dass bei diesen Präventivmaßnahmen Informationen der Kommission und des EASO berücksichtigt werden können und dass sie zu einer echten und praktischen Solidarität gemäß Artikel80 AEUV mit den Mitgliedstaaten, deren Asylsystem im Allgemeinen– auch infolge gemischter Migrationsströme– besonders belastet ist, sowie mit den Antragstellern führen können, was eine bessere Vorbereitung auf eine mögliche Asylkrise ermöglicht;

46.ist der Ansicht, dass sich die Durchführung der Dublin-III-Verordnung nicht als wirksam erweist, da die primären Ziele nicht verwirklicht werden, insbesondere eine schnelle und gerechte Bestimmung der Mitgliedstaaten, die für den jeweiligen Antrag auf internationalen Schutz zuständig sind; weist darauf hin, dass bei einer Reihe von Dublin-Bestimmungen erhebliche Umsetzungslücken festgestellt wurden; betont, dass die Umsetzung der Verordnung im Verhältnis zu den Bemühungen, den Humanressourcen und dem Personal, die die Mitgliedstaaten dafür einsetzen, äußerst ineffizient ist;

47.fordert den Rat auf, bei der Reform der Dublin-III-Verordnung und bei der Beschlussfassung in Bezug auf Artikel78 Absatz2 AEUV mit qualifizierter Mehrheit abzustimmen;

48.bedauert, dass die Kommission ihren Bewertungsbericht gemäß Artikel46 bisher nicht vorgelegt hat; fordert die Kommission auf, wirksamer für die Anwendung der vorliegenden Verordnung zu sorgen;

°

°°

49.beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat und der Kommission sowie den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten zu übermitteln.

SCHREIBEN DES AUSSCHUSSES FÜR DIE RECHTE DER FRAUEN UND DIE GLEICHSTELLUNG DER GESCHLECHTER

Herrn

Juan Fernando López Aguilar

Vorsitzender

Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres

BRÜSSEL

Betrifft:Stellungnahme zur Durchführung der Dublin-III-Verordnung (2019/2206(INI))

Sehr geehrter Herr Vorsitzender,

im Rahmen des vorstehend genannten Verfahrens hat der Ausschuss für die Rechte der Frauen und die Gleichstellung der Geschlechter beschlossen, Ihrem Ausschuss eine Stellungnahme vorzulegen. In seiner Sitzung vom 4.Dezember 2019 beschloss der Ausschuss, diese Stellungnahme in Form eines Schreibens zu übermitteln.

Der Ausschuss für die Rechte der Frauen und die Gleichstellung der Geschlechter prüfte die Angelegenheit in seiner Sitzung vom 16.Juli 2020. In dieser Sitzung[28] beschloss er, den Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres als federführenden Ausschuss darum zu ersuchen, die nachstehend aufgeführten Vorschläge in seinen Entschließungsantrag zu übernehmen.

Mit freundlichen Grüßen

Evelyn Regner


VORSCHLÄGE

A. in der Erwägung, dass Frauen und Mädchen einen hohen Anteil der schutzbedürftigen Asylsuchenden ausmachen, da sie in ihren Herkunfts-, Transit- und Zielländern häufig vielfältigen Formen der Diskriminierung und allen Formen von geschlechtsspezifischer Gewalt, Menschenhandel und Ausbeutung ausgesetzt sind, insbesondere bevor sie einen dokumentierten Status erlangen;

1.betont, wie wichtig es ist, die Bedürfnisse von Frauen und Mädchen während des gesamten Asylverfahrens zu erkennen und zu berücksichtigen; fordert spezifische psychologische Hilfe und den Zugang zu sexuellen und reproduktiven Rechten für Frauen, die Traumata erlitten und insbesondere geschlechtsspezifische Gewalt erfahren haben (darunter Notfallverhütung, sichere Abtreibungsdienste und HIV-Post-Expositionsprophylaxe), sowie geschlechtsspezifische Schulungen für alle Akteure, einschließlich Sachbearbeiter in den Bereichen Strafverfolgung und Einwanderung, im gesamten Asylverfahren;

2.ist äußerst besorgt über die anhaltende geschlechtsspezifische Gewalt, die insbesondere gegenüber Frauen, Transgender-Personen und allen Menschen verübt wird, die aufgrund ihrer Geschlechtsidentität und/oder sexuellen Ausrichtung Gewalt erfahren, und weist darauf hin, dass zum Schutz der Grundrechte gegen diese Gewalt vorgegangen werden muss; verurteilt, dass Bedienstete der Strafverfolgungsbehörden Zwangsmaßnahmen bei der Durchführung von Überstellungen nach der Dublin-Verordnung anwenden, was in mehreren Mitgliedstaaten gemeldet wurde und wobei Asylsuchenden Handschellen angelegt, ihnen Beruhigungsmittel verabreicht und sie Opfer von Polizeigewalt wurden; betont, dass Frauen, insbesondere schwangere Frauen, Frauen mit Neugeborenen, Frauen mit Behinderungen und ältere Frauen sowie LGBTI+-Asylsuchende besonders schutzbedürftig sind und langfristige Folgen zu tragen haben;

3.verurteilt die Inhaftierung von Asylsuchenden und hält es für paradox, Haftmaßnahmen gegen Asyl suchende Opfer von Gewalt anzuwenden, und ist der Ansicht, dass im besten Interesse der körperlichen und geistigen Gesundheit von Mutter und Kind unbedingt verhindert werden muss, dass Schwangere und Frauen mit Neugeborenen derartigen Maßnahmen ausgesetzt werden; betont, dass aktiv Alternativen zur Inhaftierung geprüft werden sollten und dass im Zusammenhang mit Gewalt stehende Asylanträge so behandelt werden sollten, dass Frauen und Mädchen vor sekundärer Viktimisierung geschützt werden;

4.weist darauf hin, dass das Recht auf Familienleben von wesentlicher Bedeutung ist, insbesondere im Hinblick auf ihre künftigen Lebensperspektiven, einschließlich Integration, und dass daher eine angemessene Suche nach Familienangehörigen in den Mitgliedstaaten der EU von entscheidender Bedeutung ist, um im Hinblick auf die Familienzusammenführung im Rahmen des Dublin-III-Verfahrens einschlägige Informationen über Familienmitglieder zu erhalten und den für die Prüfung eines Asylantrags zuständigen Mitgliedstaat zu bestimmen.

NAMENTLICHE SCHLUSSABSTIMMUNG IM MITBERATENDEN AUSSCHUSS

27

+

GUE/NGL

Elena Kountoura, Eugenia Rodríguez Palop

NI

Isabella Adinolfi

PPE

Rosa Estaràs Ferragut, Frances Fitzgerald, Cindy Franssen, Lívia Járóka, Arba Kokalari, Elżbieta Katarzyna Łukacijewska, Christine Schneider, Elissavet Vozemberg-Vrionidi

Renew

Karen Melchior, Samira Rafaela, María Soraya Rodríguez Ramos, Hilde Vautmans, Chrysoula Zacharopoulou

S&D

Robert Biedroń, Vilija Blinkevičiūtė, Heléne Fritzon, Lina Gálvez Muñoz, Maria Noichl, Pina Picierno, Evelyn Regner

Verts/ALE

Gwendoline Delbos Corfield, Pierrette Herzberger Fofana, Diana Riba i Giner, Ernest Urtasun

7

-

ECR

Derk Jan Eppink, Andżelika Anna Możdżanowska, Jessica Stegrud

ID

Simona Baldassarre, Isabella Tovaglieri, Christine Anderson, Annika Bruna

Erläuterungen:

+:dafür

-:dagegen

0:Enthaltung

ANGABEN ZUR ANNAHME IM FEDERFÜHRENDEN AUSSCHUSS

Datum der Annahme

30.11.2020

Ergebnis der Schlussabstimmung

+:

–:

0:

45

10

13

Zum Zeitpunkt der Schlussabstimmung anwesende Mitglieder

Magdalena Adamowicz, Katarina Barley, Pietro Bartolo, Nicolas Bay, Vladimír Bilčík, Vasile Blaga, Ioan-Rareş Bogdan, Patrick Breyer, Saskia Bricmont, Jorge Buxadé Villalba, Damien Carême, Caterina Chinnici, Marcel de Graaff, Anna Júlia Donáth, Lena Düpont, Cornelia Ernst, Laura Ferrara, Nicolaus Fest, Jean-Paul Garraud, Maria Grapini, Sylvie Guillaume, Andrzej Halicki, Balázs Hidvéghi, Evin Incir, Sophia in ‘t Veld, Patryk Jaki, Lívia Járóka, Marina Kaljurand, Assita Kanko, Fabienne Keller, Peter Kofod, Łukasz Kohut, Moritz Körner, Alice Kuhnke, Jeroen Lenaers, Juan Fernando López Aguilar, Nuno Melo, Nadine Morano, Javier Moreno Sánchez, Maite Pagazaurtundúa, Nicola Procaccini, Emil Radev, Paulo Rangel, Terry Reintke, Diana Riba i Giner, Ralf Seekatz, Michal Šimečka, Birgit Sippel, Martin Sonneborn, Tineke Strik, Ramona Strugariu, Annalisa Tardino, Tomas Tobé, Dragoş Tudorache, Milan Uhrík, Tom Vandendriessche, Bettina Vollath, Jadwiga Wiśniewska, Elena Yoncheva, Javier Zarzalejos

Zum Zeitpunkt der Schlussabstimmung anwesende Stellvertreter

Beata Kempa, Leopoldo López Gil, Kris Peeters, Anne-Sophie Pelletier, Sira Rego, Franco Roberti, Miguel Urbán Crespo, Hilde Vautmans

NAMENTLICHE SCHLUSSABSTIMMUNG IM FEDERFÜHRENDEN AUSSCHUSS

45

+

PPE

Magdalena Adamowicz, Vasile Blaga, Ioan-Rareş Bogdan, Lena Düpont, Andrzej Halicki, Jeroen Lenaers, Leopoldo López Gil, Nuno Melo, Kris Peeters, Emil Radev, Paulo Rangel, Ralf Seekatz, Tomas Tobé, Javier Zarzalejos

S&D

Katarina Barley, Pietro Bartolo, Caterina Chinnici, Maria Grapini, Sylvie Guillaume, Evin Incir, Marina Kaljurand, Łukasz Kohut, Juan Fernando López Aguilar, Javier Moreno Sánchez, Franco Roberti, Birgit Sippel, Bettina Vollath, Elena Yoncheva

Renew

Anna Júlia Donáth, Fabienne Keller, Moritz Körner, Maite Pagazaurtundúa, Ramona Strugariu, Dragoş Tudorache, Hilde Vautmans, Sophia in't Veld, Michal Šimečka

Verts/ALE

Patrick Breyer, Saskia Bricmont, Damien Carême, Alice Kuhnke, Terry Reintke, Diana Riba i Giner, Tineke Strik

NI

Laura Ferrara

10

-

PPE

Balázs Hidvéghi, Lívia Járóka, Nadine Morano

ID

Nicolas Bay, Nicolaus Fest, Jean-Paul Garraud, Peter Kofod, Tom Vandendriessche, Marcel deGraaff

NI

Milan Uhrík

13

PPE

Vladimír Bilčík

ID

Annalisa Tardino

ECR

Jorge Buxadé Villalba, Patryk Jaki, Assita Kanko, Beata Kempa, Nicola Procaccini, Jadwiga Wiśniewska

GUE/NGL

Cornelia Ernst, Anne-Sophie Pelletier, Sira Rego, Miguel Urbán Crespo

NI

Martin Sonneborn

Erklärung der benutzten Zeichen:

+:dafür

-:dagegen

0:Enthaltung

BERICHT über die Umsetzung der Dublin-III-Verordnung | A9-0245/2020 | Europäisches Parlament (2025)
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Name: Trent Wehner

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Job: Senior Farming Developer

Hobby: Paintball, Calligraphy, Hunting, Flying disc, Lapidary, Rafting, Inline skating

Introduction: My name is Trent Wehner, I am a talented, brainy, zealous, light, funny, gleaming, attractive person who loves writing and wants to share my knowledge and understanding with you.